Schwarzweiß fotografieren, sehen und denken

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Schwarzweiß zu fotografieren ist eine alte hohe Kunst in der Fotografie. Warum es nicht reicht, Fotos einfach zu entfärben, liest Du hier.

Lerne, in Schwarz-Weiß zu sehen.
Wenn du dich lange genug mit Fotografen unterhältst, ist das ein Satz, den du immer wieder hören wirst. Es ist eine Binsenweisheit darüber, wie man gute Schwarz-Weiß-Bilder macht. Zuerst, so heißt es, musst du lernen, in Schwarz-Weiß zu sehen. Aber wie genau kann ein Mensch mit in einer vollfarbigen Welt, in schwarz-weiß sehen?

Was sie wirklich sagen wollen, ist: Du musst lernen, dir vorzustellen, was auf einem schwarzen Foto gut funktioniert.

Es ist diese Fähigkeit, sich ein Bild davon zu machen, wie ein fertiges Foto aussehen wird, bevor du den Auslöser drückst. So kannst du dich auf Motive und Kompositionen konzentrieren, die sich gut in Schwarzweiß umsetzen lassen.

Akt schwarzweiss
Akt schwarzweiss

Was macht ein gutes Schwarzweiß Foto aus?

Der erste Schritt, um das Sehen in Schwarz-Weiß zu sehen, ist es, kompositorische Elemente zu erkennen, die nicht von der Farbe abhängen. Wenn Farbe aus einem Bild entfernt wird, kann ist wichtige Farbton verschwunden. Er wird ersetzt durch Dinge wie Leuchtkraft und Kontrast, Form und Textur. Bilder, die grafisch einfach sind, helfen jedem dieser Elemente, hervorzustechen. Das ist also der erste Schritt.

Grafische Einfachheit muss nicht zwangsläufig ein einziges Motiv bedeuten. Manchmal sorgen starke Texturen oder Muster, die zwar technisch gesehen mehrere bildgestaltende Elemente umfassen, für die visuelle Wirkung eines „einfarbigen“ Fotos. Um Muster zu finden, ist es eine gute Technik, sich auf Details und Strukturen zu konzentrieren. Das kann die die Rinde eines Baumes, die Steine in einem
Bach und so weiter sein.

Starke grafische Formen können natürlich vorkommen, oder sie können durch das Zusammenspiel von Licht und Schatten entstehen. Ein physisches Element wie ein einzelner Baum in einer leeren Landschaft sorgt für eine von Natur aus starke und grafisch einfache Komposition. Bereiche mit starkem Kontrast, wie ein Licht in einer dunklen Szene oder ein starker Schatten in einem High-Key-Bild, werden
visuelle Formen für sich. Das hilft dir dabei, zu visualisieren, was den Blick des Betrachters auf sich zieht.

Geschwister
Die Nachbearbeitung nimmt einen unwichtigen Bildteil weg und zeigt die Geschwister auf dem Schnittpunkt nach der Drittelregel.

Nur um das klarzustellen: Es geht nicht darum, eine kontrastreiche Szene zu suchen, sondern um ein kompositorisches Element zu finden, das sich deutlich von einem anderen Teil der Szene abhebt. Dieser isolierte Kontrast in den Tönen schafft ein Zentrum des Interesses, das
das Auge anzieht. Sicherlich gibt es viele kontrastarme Schwarz-Weiß-Bilder die gut funktionieren, aber der starke Kontrast zwischen Schatten und Lichtern sorgt für ein überzeugendes schwarzweißes Foto.

Die besten Schwarzweiß-Fotos haben oft eine zeitlose Qualität.

Versuche deshalb, Themen zu wählen, die die als zeitlos angesehen werden können. Wenn das Alter des Bildes nicht leicht zu erkennen ist, hat es gute Chancen, eine „zeitlose“ Schwarz-Weiß-Fotografie zu sein.

Worauf du achten solltest, wenn du schwarzweiß sehen willst

Eine Technik, die hilfreich sein kann, um die Welt in Schwarz-Weiß zu sehen, ist, eine rosarote Brille aufzusetzen. Oder, eine Sonnenbrille zu tragen. Die braunen Gläser verhelfen uns zu einer monochromen Sicht, die hilft, eine Szene zu simulieren, ähnlich wie wie bei einem Schwarz-Weiß-Bild. Un das auch ohne die völlige Eliminierung von Farben.

Der Sonnenbrillenansatz ist eine Abwandlung einer gängigen Technik aus der Filmzeit, um einen Kontrastumfang zu sehen, der näher an
der dem des Films ähnelte. Ein kurzes Blinzeln der Augen bewirkt dasselbe, indem es Details einer Szene herausholt. Der Blinzeltest
funktioniert ganz einfach: Du schaust dir ein bestimmtes Motiv an, blinzelst du mit den Augen und nimmst jetzt insbesondere in den Schatten und Lichtern kaum etwas wahr. Es bleibt nur der Grundton der Szene übrig.

Lost Place
Canon EOS 6d 15.0mm · ƒ/8.0 · 1/6s · ISO 100

Komme nicht auf die Idee, ein farbiges Bild einfach in schwarzweiß zu konvertieren. Das wäre so, als wolltest du aus einem Verbrenner ein Elektroauto machen, indem du den Motor tauschst. D solltest das Ganze von vornherein richtg angehen und schwarzweiß vom ersten Schritt an denken. Eine Konvertierung in Photoshop ist daher nicht unbedingt die beste Idee, weil die Aufnahme eines farbigen Bildes nicht die vorigen Schritte zur Gestaltung beinhaltet.

Wozu überhaupt Schwarzweißfotografie?

Den Begriff „Schwarzweißfotografie“ gibt es erst, seit man auch in Farbe fotografieren kann. Bis dahin war das schwarzweiße Foto ganz normal. Denn auch Druckmedien wie Zeitungen und Illustrierte waren schwarzweiß – im Gegensatz zu heute.
Farbe etablierte sich zunächst im professionellen Umfeld, Hochglanzmagazinen und in der Werbung sowie Modefotografie. Da gab es dann die Wahl zwischen Farbfilm und s/w Film. Am Ende war es oft eine Preisfrage, und ob man selbst entwickeln wollte.

Da man heute beide Möglichkeiten hat, stellt sich die Frage, wieso man schwarzweiß fotografieren sollte, wenn es dich auch farbig geht?!
Man benutzt schließlich auch keine Scharfstellung per Hand, seit es Autofokus gibt… oder doch?

Dalmatiner schwarzweiß
Dalmatiner

Was ist die Faszination des Farblosen?

Dabei eignet sich gerade die Fotografie ohne störende Farben besonders für grafische Fotos. Außerdem ist Schwarzweiß der Favorit bei Charakterporträts, weil man mit gezielter Lichtführung viel mehr Leben ins Bild bringt. Wo Farbe, und sei es nur die Augenfarbe, ablenkt, hilft ein farbloses und monochromes Bild. Immerhin hat ein S/W-Foto auch Graustufen. Man verzichtet lediglich auf die ablenkende Farbe. Dennoch eignet sich nicht jedes Motiv gleich. EIn Foto einer Blume oder knallrore Lippen wirken farbig besser.

Wann eignet sich ein Motiv?

EIn Motiv bietet sich immer als entsättigte Alternative an, wenn eine oder mehrere der folgenden Bedingungen zutreffen:

  • grafische Strukturen und Linien, die betont werden sollen
  • Fokus auf ein Hauptmotiv, während der Rest sehr dunkel oder sehr hell ist
  • Menschen bei Seitenbeleuchtung, wenn Falten oder Alter betont werden soll
    (Charakterporträts)
  • Motive, die von Natur aus farblos sind, wie ein Dalmatiner Hund

Warum Farbfotos nicht einfach entfärben?

Klar, man kann ein Foto auch einfach mittels Bildbearbeitung entfärben. Dadurch wird aus einem vormals farbigen Bild ein Bild mit 256 Graustufen. Somit erhält man auf dem einfachsten Wege ein Schwarzweißfoto. Dazu dreht man einfach den Regler Sättigung auf Null, schon ist die Farbe verschwunden. Das ist jedoch nicht der optimale Weg.

Charakterporträt in Schwarzweiß
Charakterporträt

Nach dem Entfärben solltest Du den Kontrast wunschgemäß anpassen. Schatten lassen sich mit dem „Tiefen“ Regler in Lightroom oder Photoshop aufhellen.

Schwarzweiß denken und s/w fotografieren

Professionelle Kameras wie die Nikon D810 bieten die Möglichkeit eines s/w Modus. Die Kamea nimmt in diesem Modus das Bild sogleich schwarzweiß auf. Ein Zurückdrehen zur Farbe ist dann nicht mehr möglich. Gleichwohl wird im Sucher vor dem Auslösen das Bild in Farbe gezeigt.

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